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Adrians Schrauberecke Ford „A“ – wie „Alltag“?

Ford „A“ – wie „Alltag“?

Als ich ins Führerscheinalter kam, stand natürlich auch das Thema eines eigenen Autos auf Plan. Am besten irgendeine olle Karre, an der man noch selber reparieren kann. Es ist dann kein Toyota Corolla in silbermetallic geworden, weil mir graues Plastik zuwider war – und kein 1970er-Jahre-Mercedes, weil die Ersatzteile teuer sind. Kein 50er-Jahre-Klassiker, weil die fast alle durchrosten… Und dann blieb in der Auswahl irgendwann nur noch ein Vorkriegsfahrzeug übrig.

Irgendwann war Papa das jahrelange Gequengel leid – und mit einem „Mein Gott, dann kauf ihn dir doch“ war die Sache trotz fehlender Airbags oder auch nur im Entferntesten auf Betriebssicherheit ausgelegte Bauteile beschlossen. Nun hatte ich das gleiche Problem, wie auch mit allem alten Krempel zuvor: Ich musste unter Beweis stellen, dass es sich hierbei nicht nur um einen Spaßgegenstand zum Zeitvertreib handelt, sondern um ein Ding mit praktischem Sinn und Nutzen.

Und so begann mein neues Leben, in dem ich mich unserem 2006er Familienkombi bewusst verweigerte, um mit dem „A“ nach „B“ zu kommen.

Es war nicht immer einfach, das sei vorweg gesagt. Nicht, weil der Wagen dazu nicht in der Lage gewesen wäre, sondern weil die Stadtverwaltung ab Temperaturen, die dem Gefrierpunkt ähnlich sehen, gern dazu neigt, das für Schlaglöcher vorgesehene Geld in Salz zu investieren, um jene damit zu füllen.

Aber beginnen wir am Anfang. Die Fahrzeugüberführung fand am 2. Oktober 2020 statt. Im Regen. Ohne Scheibenwischer.

Ich rollte vom Hof auf die Bundesstraße, trat aufs Gas… und nichts geschah. Ruckeln, Spotzen, Fehlzündungen – die Schlange hinter mir wurde länger.

‚Papa hatte so recht, alte Autos sind lahm, unzuverlässig und ungeeignet für heutigen Straßenverkehr!‘ schoss es mir durch den Kopf, während ich panisch meine Optionen durchging: Zündung?Handgas? Passt. Handbremse? Sprit im Tank?

Der Vergaser! Irgendjemand hatte die Gemischschraube zugedreht! Ich öffnete die Rändelschraube und – SCHUUUB! Ein Seufzer der Erleichterung entwich mir – und der Rest der Heimfahrt verlief problemlos. Nur der dritte Gang war noch etwas unkooperativ, was – wie sich in den kommenden Wochen herausstellen sollte – in zu hohem Standgas und nahezu vollkommender Abwesenheit von Getriebeöl seinen Ursprung fand.

Die kommenden Wochen wurden genutzt, um das Auto und seine Eigenheiten näher kennenzulernen; und parallel die Standschäden der letzten Jahrzehnte zu beseitigen. Hierbei offenbarten sich rasch viele Vorteile, die mich bis heute begleiten sollten. Ganz oben genannt sei hier die Hochbeinigkeit des Model A. Ölwechsel, Schmierdienst, Bremse reinigen, Radlager fetten, Lampen umbauen, Motorlager tauschen… Alles ohne Hebebühne oder Wagenheber.

sdr

Überragend: sein Einfachheit. Meine praktischen Vorerfahrungen in Sachen Automobil beschränkten sich bis dato auf Reifenwechsel. Das qualifiziert beim Model A jedoch auch zu Krümmerwechsel, Kühlerdemontage, Hinterachsausbau und vielem mehr. Denn es gilt die Philosophie: So lange Schrauben und Muttern lösen, bis man das Teil in der Hand hält. Der Bastler in mir konnte natürlich nicht umhin, auch etwas anspruchsvollere Aufgaben, wie das Planen des Krümmers oder die Umkonstruktion des Benzinhahns in Eigenregie durchzuführen – aber dafür ist der A nun mal das perfekte Fahrzeug.

Undichte Benzinpumpe, Luft in der Bremsleitung, verschlissene Synchronringe… alles kein Thema für den Ford – was man nicht hat, kann auch nicht kaputt gehen.

Im Laufe des Sommers kam der Einbau eines Ölfilters, welcher sich direkt auf der nachfolgenden Fernfahrt unter Beweis stellte, die Ergänzung einiger fehlender Schrauben im Chassis zur Verringerung des Geräuschpegels im Innenraum und eine Unterboden- und Hohlraumkonservierung, um für den nächsten Winter gewappnet zu sein.

Eine längere Talfahrt machte die Bremsen zunichte – der resultierende Umbau auf Gusstrommeln inklusive neuer Beläge war zwar aufwändig, im Nachhinein betrachtet aber die Umwerfendste aller Verbesserungen am Wagen.

Der Winter rückte rasch näher – diesmal ohne fußläufig entfernte Uni, dafür mit einem Praktikumsplatz, dreiviertelstündig von Zuhause entfernt. Während der folgenden drei Monate sollte der Wagen daher alles von Nebelbänken über Dauerregen bis zu Frostglätte erleben.

Da das Motometer selbst im Hochsommer keinerlei Anstalten machte, Temperatur anzuzeigen – und nachweislich funktionierte – entschloss ich mich, Maßnahmen gegen die Kälte in Form eines Lappens vorm Kühler zu unternehmen. Vielleicht nicht unbedingt elegant – dafür aber zweckmäßig, erhöhte es doch gleichsam die Temperatur der Fahrerkabine um einige, kostbare Grad.

Regen und Kälte sind – Komfort außen vor – eine blöde Zwickmühle in Autos ohne Klimaanlage und Gebläse. Die Scheiben beschlagen nämlich. Und wenn es dann noch dunkel ist, der Gegenverkehr seine Xenon-Laser an hat und die Reflexionen des Hintermanns im Spiegelkabinett der senkrechten Scheiben multipliziert wird, sieht man hauptsächlich nichts.

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Auch die vorhandenen Fensterdichtungen allein erwiesen sich mit der Zeit als unzureichend. Da ich die meiste Zeit mit offenen Fenstern fahren musste, um der Nebelschau am Fensterglas vorzubeugen, war die lecke Windschutzscheibe für mich kein Problem – aber auch die Heckscheibe war undicht… Und das bedeutete Wasser im Kofferraum. Ein Problem, was sich durch Scheibenaus- und Wiedereinbau mit Sikaflex beheben ließ.

Tja, nun sind fast zwei Jahre (Stand: 30. Juni 2022) ins Land gegangen – und es fühlt sich an, als hätte ich den Wagen gerade erst nach Hause gefahren. So viel gemacht, so viel erlebt – und was bleibt als Fazit?

Jederzeit wieder. Klar, es war nicht immer einfach. Und ja, der Wagen will Aufmerksamkeit. So ein Auto kauft man sich nicht nur zum Fahren – das Schrauben gehört mindestens genau so dazu. Aber genau das ist es, was mir daran Spaß macht. Ein Auto, das kaum Bedürfnisse zeigt, ist mit dem Schließen der Garagentür vergessen. Die stetige Pflege, das Ausbessern von Wehwehchen, die Eigenheiten der alten Mechanik… Das verbindet Wagen und Fahrer und verleiht einem Klumpen Alteisen Persönlichkeit.

Gleichzeitig war ich überrascht, was selbst mit den Mitteln von 1930 möglich war. Klar, der Vierzylinder ist bei manchen Drehzahlen ziemlich am Dröhnen – und das Coupé ist mit seinen Fahrradreifen und kaum Last auf der Hinterachse eine ziemliche Heckschleuder… Aber es gab bislang keinen Tag, an dem der Wagen nicht angesprungen wäre oder mich unterwegs im Stich gelassen hätte. Ja, mir ist unterwegs die Riemenscheibe des Generators geplatzt – aber die robuste Vorkriegstechnik hat es bis daheim ertragen.

Und das fasst es prima zusammen: Man kümmert sich ums Auto – und das Auto bedankt sich dafür. Alltagsbetrieb bei Wind und Wetter mag nicht jedermanns Sache sein – aber für mich ist es das höchste aller Gefühle, den Weg zur Arbeit in einem Wagen anzutreten, den die meisten Verkehrsteilnehmer wohl noch nicht einmal auf einem Oldtimertreffen gesehen haben. Denn auch ein Oldtimer wurde fürs Fahren gebaut – und das tut er nach wie vor verdammt gut.